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Sinn und Unsinn von Sitz und Platz

Aktualisiert: 6. März 2023














Sitz und Platz sind aus der Hundeerziehung nicht mehr wegzudenken. Häufig sind diese beiden Übung, die ersten überhaupt, die ein kleiner Welpe lernt. Die frischgebackenen Hundeeltern sind berechtigt sichtlich stolz, wenn ihr kleiner Zwerg diese Signale kennt und sich mit bettelnden Hundeaugen Richtung Leckerli, tollpatschig und süss hinsetzt oder hinlegt.

Aber wieviel Sinn machen diese Übungen, Sitz und Platz, überhaupt? Wofür sind diese Signale denn eigentlich gedacht?

Grundsätzlich wollen wir mit diesen Signalen erreichen, dass unser Hund ruhig und ohne aufzufallen neben uns oder auf Distanz wartet. Gerne hätten wir, dass sich unser Hund währenddessen entspannt. Und da beginnt bereits das Problem.

Entspannung kann nur geschehen, wenn sich der Betroffene wohlfühlt, körperlich und geistig.

Viele Hunde setzen sich nicht gerne auf den kalten oder nassen Boden. Einige haben sehr kurzes Fell und da ist die Isolierung schlicht nicht da und der Hundepo oder Bauch wird schnell kalt. Seid ihr mal in Unterwäsche im Winter raus? Ungefähr so muss es sich für Hunde ohne Unterwolle auf dem kalten oder nassen Boden anfühlen.

Dann gibt es Hunde die aufgrund Verspannungen oder anderen Thematiken Schmerzen beim Sitz oder Platz haben. Das kennen wir doch auch von uns Menschen?

Ebenfalls gibt es Hunderassen die aufgrund der überzüchteten und unnatürlichen Körperform einfach nicht gut sitzen oder Platz machen können, der Körper ist nicht für diese Positionen gemacht.

Und nicht zum Schluss wäre ja auch noch der individuelle Trainingsstand des Hundes zu hinterfragen. Kann mein Hund bereits unter Ablenkung so lange ohne Beeinflussung sitzen bleiben oder sich hinlegen? Wie oft habe ich dies tatsächlich in solchen Situationen geübt?

Und dann gibt es noch einen Punkt der leider vielen Hundehaltern nicht bewusst ist und meiner Meinung nach durch die Vereine und Hundeschule auch zu wenig Aufklärung besteht. Handlungen, also auch unsere normalen Übungen aus der Hundeerziehung, sind immer mit entsprechenden Emotionen verknüpft.

Wenn wir das Sitz und Platz immer so trainieren, dass der Hund direkt nach dem Auflösen oder teilweise sogar noch in der Übung, ein Leckerchen erhält, verknüpft der Hund mit dem Signal eine Erwartungshaltung auf Futter, Spiel, Spass etc. Das ist grundsätzlich auch in Ordnung, bei Signalen und Übungen in welchen wir auch eine Erwartungshaltung, viel Motivation und Spannung möchten. Wenn wir uns aber eine entspannte Haltung des Hundes wünschen, ist dies kontraproduktiv. Der Hund setzt sich zwar unverzüglich hin, schnell wird er aber zappelig, steht immer wieder auf, beginnt allenfalls zu winseln oder sogar zu bellen. Alles andere als entspannt warten.

Ich möchte damit nicht ausdrücken, dass Leckerchen falsch in der Erziehung seien und gerade bei jungen Hunden ist die Belohnung für ein zuverlässiges Verhalten wichtig, aber wenn es um Verhaltensweisen geht welche wir mit Entspannung und Entschleunigung verknüpfen möchten, sind Leckerlis keine ideale Form der Belohnung. In vielen Fällen ist die Erwartungshaltung bei einem Sitz oder Platz sogar erwünscht und hat absolute Berechtigung. Nur leider nicht, wenn wir uns ein ruhiges abwarten vom Hund erwünschen.

Was können Hundehaltende also tun um ihrem Hund das ruhige und entspannte Warten einfach zu machen?

Einerseits lohnen sich Pausensignale welche nicht durch Leckerchen belohnt werden und dadurch tatsächlich Ruhe und Entspannung vermitteln. Es lohnt sich ebenfalls, dem Hund ein Mitspracherecht einzuräumen.

Als Beispiel nehme ich gerne meine 6 Hunde. Alle unterschiedliche Rassen, Retrievermischling, Bordercolliemischling, Deutscher Schäferhund und Rhodesian Ridgebacks. Alle Hunde haben eine unterschiedliche Fellausprägung mit mehr oder weniger Unterwolle. Zudem bringen sie verschiedene genetische aber auch persönliche Aspekte mit, welche sich bei verschiedensten Situationen zeigen. Der Bordercollie legt sich gerne und schnell hin, Sitz findet er doof. Der Schäferhund findet Sitz soweit ok, aber nicht lang, da legt er sich dann auch schnell hin. Der Retrievermix hat aufgrund seines hohen Alters teilweise Schmerzen im Bewegungsapparat welche sich beim Sitz oder Platz verschlimmern, zuhause im Körbchen oder auf der Couch ist dies kein Problem da der Untergrund weich ist. Die Rhodesian Ridgeback Damen haben keine Unterwolle, ein sehr dünnes Fell und sind daher sehr anfällig für Kälte und Nässe. Im Sommer und wenn es trocken ist, sitzen sie natürlich gut und legen sich auch ab. Im Winter oder bei Nässe kriegst du den Ridgeback Po schlicht nicht auf den Boden und ich möchte dies nicht erzwingend.

Wie bereits erwähnt, soll sich der Hund rundum wohlfühlen um entspannt zu sein. Meine Lösung; ich habe ein Pausensignal und ein Wartesignal. Die Kernbotschaft lautet schlicht, warte dort bis ich dich wieder auflöse. Ob meine Hunde dies sitzend, liegend oder stehend tun, ist mir schnurzpiep egal. Und da jeder Hund ein Mitspracherecht hat, und selber entscheiden darf, in welcher Position er wartet, habe ich eine sehr gute Zuverlässigkeit und tatsächlich entspannte Hunde. Das Pausensignal nutze ich für längere Wartezeiten, wenn ich mit jemandem ein Gespräch führe oder auch im Restaurant. Das «Warten» nutze ich für kurze Situationen, dann auch häufig wenn ich mal kurz weggehe aber gleich wieder komme.

Also überlege dir, in welcher Situation benötigst du Sitz und Platz tatsächlich. Welche Emotion steckt bei deinem Hund hinter dieser Handlung? Welche Möglichkeit hast du, anstelle des Sitz oder Platz? Mit einigen wenigen Veränderungen erreichst du bereits dein Ziel, ein entspannt wartender Hund. Abgesehen davon bist auch du als Hundehalter entspannter, es gibt auch dir mehr Freiheit. Du darfst nur noch schauen ob dein Hund wartet und musst nicht zusätzlich darauf bedacht sein, dass er seine Position Sitz oder Platz auch beibehält. Für beide Parteien bedeutet dies bedeutend weniger Stress.


Fazit: Sitz und Platz sind meist mit einer Erwartungshaltung verbunden und eignen sich eher wenig für Situationen in welchen dein Hund zur Ruhe kommen oder entspannt neben dir warten sollte. Zudem sind Hunde unterschiedlich in ihren Vorlieben und Eigenschaften, nicht jeder Hund macht gerne Sitz oder Platz in jeder Situation. Wenn wir uns auf das Wesentliche, nämlich das ruhige warten beschränken, erreichen wir eine hohe Zuverlässigkeit.

Sitz und Platz haben dennoch ihre Berechtigung in vielen anderen Übungen, im Sport und in etlichen Situationen und dürfen mit einer Erwartungshaltung verbunden sein. Man beachte hier einfach die unterschiedlichen Hundetypen und allenfalls körperliche Beschwerden oder Einschränkungen.



Für Tipps und Anleitungen bezgl. Pausensignal und Wartesignal darfst du dich gerne melden.


Chantal Stricker, Pfotenbande

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